Richterwahl in Deutschland
von Gerhard Hücker (Kommentare: 0)
Es ist nicht zu glauben – das Desaster der misslungenen Wahl von Frau Brosius-Gersdorf ist offenbar noch nicht genug.
Erst hält die SPD über Wochen an der Juristin fest, um dann, nach deren unfreiwilligen Rückzug, zu erklären, für die neue Wahl müsse es wieder eine Frau und unbedingt eine »aus dem progressiven, liberalen Lager« sein. Also eine, die zur Menschenwürde (»Die Menschenwürde schützt den geborenen Menschen – nicht das ungeborene Leben.«), zum Wahlrecht (»Die Entscheidung gegen das Paritätsgesetz ist ein schweres Versäumnis – das Gleichstellungsgebot muss bei der Wahlrechtsgestaltung stärker berücksichtigt werden.«) und zum Ehegattensplitting (»Das Ehegattenspliting widerspricht dem verfassungsrechtlichen Gebot der Gleichstellung – und gehört abgeschafft oder ersetzt.«) eine andere Meinung als die Mehrheit der jetzigen Richter des Bundesverfassungsgerichtes hat.
Zudem erklärt der SPD-Fraktionsvorsitzende Miersch: »Wir haben einen Namen. Und den werde ich jetzt aber garantiert nicht nennen.« Und die SPD-Vorsitzende Bärbel Bas rechtfertigt das damit, dass 'rechte Netzwerke' – und dazu gehören, nach Auffassung der SPD – offensichtlich auch unabhängige Journalisten, die sich ja mit früheren Meinungsäußerungen und Auftritten der neuen Kandidatin oder des neuen Kandidaten beschäftigen könnten – so wie es in einer Demokratie üblich ist. Und ein anderes Vorstandsmitglied der SPD erklärt laut BILD: »Scheitert die Richterwahl wieder an der Union, dann steht auch die Regierung vor dem Scheitern. Mir fehlt die Fantasie, wie wir dann noch irgendetwas mit der CDU und der CSU beschließen wollen.«
Kurz: Die Abgeordneten der CDU/CSU haben diese Person zu wählen, und die SPD sucht sie aus und bestimmt, welche Ansichten sie vertritt.
Hätte es noch eines Beweises dafür bedurft, dass die Parteizugehörigkeit wichtiger ist als die Qualifikation, und dass die Gewissensfreiheit der Bundestagsabgeordneten hinter der Parteiraison zurückzustehen hat – hier ist er. Wer von den Abgeordneten einen Namen wissen möchte, um sich ein Bild der zu wählenden Person zu machen, beweist nach Auffassung der SPD damit nur, dass er den demokratischen Institutionen misstraut.
Unglaublich, welche Macht sich die Parteien anmaßen.
Und wir Bürger schauen dem bösen Spiel hilflos zu. Nein, es ist Zeit, dass der Art und Weise, wie nach Lust und Laune der Parteien Top-Beamtenpositionen besetzt werden, ein Ende bereitet wird.
Wie wäre es mit folgendem Vorgehen?
1. Man erstellt eine Stellenbeschreibung und legt fest, welche Mindestanforderungen ein Richter an höchsten Gerichten genügen muss.
- Qualifikation, mindestens beide juristischen Staatsexamen mit Prädikat.
- Mindestalter 50 Jahre – für die Lebenserfahrung.
- Berufliche Erfahrung von mindestens 10 Jahren in der jeweiligen Rechtsprechung – für Verfassungsrichter, also an Verfassungsgerichten usw.
- Keine reinen Wissenschaftler, da in der Jurisprudenz die theoretische Ausbildung ja ohne Repetitoren, welche die praktische Anwendung der Theorie vermitteln, nicht denkbar ist und reine Wissenschaftler in der Regel keine Erfahrung in der Erarbeitung von Urteilen in der täglichen Praxis haben.
- Das Geschlecht der Bewerber darf bei der Auswahl keine Rolle spielen.
2. Auf diese Stellenausschreibung können sich alle Personen bewerben, welche die Voraussetzungen erfüllen, unabhängig von ihrem Geschlecht.
3. Es wird eine neue Richterwahlkommission für die Ernennung von Richtern an höchsten Gerichten mit einer Amtszeit von 6 Jahren bestellt.
- Die Kommission entscheidet mit 2/3 Mehrheit unabhängig;
- der ernennende Justizminister und der formell ernennende Bundespräsident dürfen nicht von der Empfehlung abweichen.
- Die bisherige Richterwahlkommission aus Bundestag und Bundesrat wird abgeschafft.
- Das Richterwahlgesetz wird entsprechend geändert.
3. Der Kommission gehören an
- 1 Richter eines Obersten Gerichtshofs, vorgeschlagen vom Deutschen Richterbund.
- 1 Richter eines Oberlandesgericht, vorgeschlagen vom Deutschen Richterbund.
- 1 Richter eines Landgerichts, vorgeschlagen vom Deutschen Richterbund.
- 1 Richter eines Amtsgerichts, vorgeschlagen vom Deutschen Richterbund.
- 1 Anwalt, vorgeschlagen von der Deutschen Anwaltskammer.
- 2 Laien ohne juristische Ausbildung, die von der Regierung vorgeschlagen werden, um die gesellschaftliche Perspektive einzubringen.
Es ist höchste Zeit, dass mündige Bürger den Parteien zeigen, wer der Souverän ist.
Ihr Standpunkt ist gefragt!
Mich interessiert Ihre Sicht: Wie viel Einfluss dürfen Parteien bei der Besetzung höchster Richterposten nehmen? Soll das Wahlrecht grundlegend reformiert werden, um echte Gleichstellung zu ermöglichen? Und wie weit darf der Staat in Fragen der Menschenwürde oder des Ehegattensplittings steuernd eingreifen? Teilen Sie Ihre Perspektive – sachlich, kritisch, konstruktiv. Denn eine lebendige Demokratie lebt vom Mitdenken und Mitreden.
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